Von der Landwirtschaft in Breckerfeld nach dem 2. Weltkrieg
Von Klaus Halverscheid
Mit dem Ende des 2. Weltkrieges vollzog sich ein großer Wandel in der Landwirtschaft. Zunächst behielten die Grundbesitzer ihre landwirtschaftlichen Flächen, um die Kriegs- und Nachkriegszeit mit den Ernährungsproblemen halbwegs unbeschadet zu überstehen. Jeder, der ein Stück Land besaß und einen kleinen Stall, hielt sich ein Schwein, oftmals auch eine Kuh, Ziege oder Schaf.
In dieser Zeit gab es allein im Stadtgebiet von Breckerfeld viele kleine Selbstversorger. Diese Art von Landwirten sollen einmal unberücksichtigt bleiben.
Es gab aber auch im Stadtbereich viele landwirtschaftliche Betriebe, die Milch, Fleisch oder Getreide zum Verkauf erzeugten. Man erinnert sich noch an Namen wie: Neuser, Schnettler, Ronsdorf, Struwe, Borlinghaus, Arnold, Mähler, Eickhoff, Hoffmann, Reibert, Willi Schmidt, Poth, Schmidt in der Bummert, Klute und Horst. Von all diesen kleinen und mittleren Betrieben, die zur damaligen Zeit in Breckerfeld Landwirtschaft hatten, ist keiner übrig geblieben. Die meisten Flächen sind dem Bauland zum Opfer gefallen oder aber an andere Landwirte verpachtet worden.
Im Außenbereich von Breckerfeld nahm die Entwicklung einen ähnlichen Verlauf. Mit Beginn der 50er Jahre kam die Mechanisierung stärker auf, die ersten Schlepper wurden in den Betrieben eingesetzt.
Sie ersetzten nicht nur die Pferde als Zugkraft, sondern vereinfachten und erleichterten Arbeiten, die sonst von Hand gemacht werden mußten. Ich denke insbesondere an den Miststreuer, den Front- und Hecklader sowie Mähbalken am Schlepper. Später kamen die ersten Universalheumaschinen, wie z. B. O. K. 5 oder O. K. 4, der Heuknecht, die Heuspinne usw., die zum Wenden und Schwaden des Grases oder Heus eingesetzt wurden. All diese Maschinen erleichterten die Arbeiten im Außenbereich. Dazu kam im Innenbereich die Melkmaschine, der Mistschlitten oder die Gitterroste. Während bis dahin alle Familienmitglieder zur Stallarbeit herangezogen wurden, konnte später die Zahl der Arbeitskräfte drastisch gesenkt werden.
Die Heuernte, bis dahin sehr arbeitsintensiv und witterungsabhängig, wurde zunächst durch Heuschwänze, Niederdruckpressen, Ladewagen, Heuaufzüge, Gebläse, Heuverteileranlagen und Heubelüftungen sehr vereinfacht und etwas witterungsunabhängiger gemacht, verlor aber in den 60er Jahren durch die Umstellung auf Grassilagen immer mehr an Bedeutung. Die Gewinnung der Grassilagen, die zunächst in Hochsilos mit Gebläse oder von Hand befüllt, anschließend mit einem luftdichten Deckel verschlossen wurden, stellte man schnell um als die Fahrsilos aufkamen. Dies kann man als Revolution in der Futtergewinnung bezeichnen. Das angewelkte Gras wurde und wird mit Ladewagen, später mit Silierwagen aufgesammelt und dann in den Kammern der Fahrsilos verteilt.
Dies geschah zunächst mit der Hand (Gabel), später mit einem Siloverteiler. Das verteilte Gras wird dann mit einem möglichst schweren Schlepper festgewalzt, um die Luft herauszupressen. Diese Art der Futtergewinnung gilt noch heute, allerdings in viel größeren Dimensionen. Heute können in einem Betrieb Grasmengen von bis zu 40 ha Grünlandfläche pro Tag siliert werden.
Nach der Mechanisierung der Außenwirtschaft mußte die Innenwirtschaft ebenfalls modernisiert werden. Die bereits erwähnte Melkmaschine verbesserte sich laufend. Nach der Eimermelkanlage kam die Absauganlage, bei der die Milch vom Euter gleich durch Leitungen (nach Passieren einer Filteranlage) über Pumpen in den Milchtank gelangte. Die Milchtanks schaffte man 1970 an, nachdem unsere Molkerei auf Milchsammelwagen umgestellt hatte. Die bis dahin übliche Kannenabholung gehörte seither der Vergangenheit an. Der weitere Schritt kam: Die ersten Boxenlaufställe wurden gebaut, zunächst in Größenordnungen von 30 – 40 Kühen und für das dazu gehörende Jungvieh.
Die Boxenlaufställe vergrößerte man aber schnell, so daß heute Kuhstellplätze von 80 – 100 Kühen keine Seltenheit sind. Das Melken findet in modernen Fischgrätenmelkständen oder in Melkkarussells statt.
Die Fütterung wurde erleichtert durch die Siloblockschneider. In großen Beständen wird heute mit dem Futtermischwagen und gleichzeitiger Futterverteilung im Stall gefüttert.
Bei der Getreideernte ging die Mechanisierung ebenfalls weiter, der Selbstbinder, schon in einigen
Betrieben vor dem 2. Weltkrieg vorhanden, sorgte bis Ende der 50er Jahre dafür, daß die Getreideernte schon relativ schnell und arbeitssparend eingebracht wurde. Das Dreschen der Getreidegarben fand in den Wintermonaten mit den Dreschmaschinen in den Scheunen statt.
Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre lösten dann die Mähdrescher die Selbstbinder ab. Zunächst die gezogenen Mähdrescher, dann aber schnell die Selbstfahrer.
Einige Berufskollegen in Breckerfeld schafften sich einen Mähdrescher an und ernteten neben ihrem eigenen Getreide auch im Lohn das Getreide der Nachbarn mit. Heute sind fast nur noch Lohnunternehmer mit großen Maschinen mit Schnittbreiten von 3 – 5 m im Einsatz.
Die Hackfrüchte, insbesondere die Kartoffeln spielten in der Nachkriegszeit eine besondere Rolle. Man kann sagen, jeder Landwirt baute in Breckerfeld Kartoffeln an. Zunächst wurden Vielfachgeräte eingesetzt. Mit Lochsternen legte man Lochreihen an, in die die Pflänzer die Kartoffeln einwarfen. Anschließend häufelte man die Knollen mit den Haufelscharen zu. Später kamen die vollautomatischen Pflanzmaschinen zum Einsatz, die Pflanzen und Aufhäufeln in einem Arbeitsgang erledigten. Diese Maschinen sind heute noch im Einsatz.
Geerntet wurden die Kartoffeln mit dem Schleuderroder, zunächst von Pferden gezogen, später von dem Schlepper. Das Aufsammeln übernahmen meist Schulkinder, die zu zweit im abgesteckten Mal absuchen mußten. Auf größeren Feldern sah man oft bis zu 30 Schulkinder im Einsatz. Zur Belohnung konnten sie ihr Taschengeld aufbessern.
Das schönste Erlebnis war das Kaffeetrinken auf dem Feld, wobei es Pflaumenkuchen, Waffeln, Schinken- u. Wurstbrote gab. Viele ältere Menschen erinnern sich noch gern an diese Zeit.
Eine Verbesserung in der Kartoffelernte war der Vorratsroder, der die Kartoffeln in Reihen ablegte. Die morgens gerodeten Früchte lagen dann in der Sonne und wurden nachmittags von Lesern aufgesammelt.
Der Vorteil: alle Leser blieben nebeneinander in ihren Reihen und sammelten die Knollen in die Körbe, die von 1 – 2 Personen auf die Wagen geschüttet wurden. Heute werden in den größeren Betrieben Vollernter eingesetzt. Durch die vielen Steine auf unseren Äckern sind sie aber nur begrenzt einsetzbar.
Der Kartoffelanbau hat in unserem Gebiet stark an Bedeutung verloren. Während in den 50er/60er Jahren noch fast jeder Landwirt Kartoffeln anbaute, die dann im Herbst als Einkellerungskartoffeln in Breckerfeld und in den umliegenden Städten Hagen, Ennepetal, Schwelm, Wuppertal, Lüdenscheid u. a. verkauft wurden, sind es heute nur noch wenige Landwirte, die Kartoffeln anbauen und verkaufen.
Die Futterrüben, als Winterfutter für die Kühe angebaut, verloren schnell durch die Grassilagen und den Anbau des Silomaises an Bedeutung.
Die Technisierung in der Landwirtschaft bewirkte, daß sich die Landwirte auf einen Teilbereich spezialisierten. In Breckerfeld entschied man sich überwiegend für die Milchwirtschaft, der Ackerbau nahm in diesen Betrieben stark ab, man baute Silomais an und etwas Getreide zur Zufütterung bei den Kühen und dem Jungvieh.
Während in den 50er Jahren noch auf jedem Bauernhof Schweine und Hühner gehalten wurden, um den Eigenbedarf an Fleisch und Eiern zu decken, gibt es heute nur noch zwei größere Betriebe, die Schweine mästen und zum Teil größere Mengen Getreide erzeugen. Einige Landwirte haben noch ein paar Schweine zur Direktvermarktung und für den Eigenbedarf.
Bei den Hühnern ist es noch extremer. Während früher auf jedem Bauernhof morgens der Hahn krähte, hört man ihn heute fast gar nicht mehr und wenn, dann meistens in kleinen Ställen bei Nichtlandwirten. Das Gros der Eier wird heute auf einem großen Geflügelhof in Brenscheid erzeugt.
All diese Entwicklungen haben dazu geführt, daß zunächst einmal der Verbraucher davon profitiert hat. Gab er nach der Währungsreform noch 50 % seines Einkommens für Nahrungsmittel aus, so verringerten sich diese Ausgaben im Laufe der letzten 50 Jahre auf nur noch 11 – 13 %.
Es hatte aber auch zur Folge, daß immer mehr Landwirte ihre Betriebe aufgaben und sich andere Berufe suchten. Heute hat Breckerfeld noch ca. 35 Vollerwerbsbetriebe; es ist leider abzusehen, daß die Zahl der Betriebe weiter abnimmt. Es wird für die heimischen Landwirte immer schwieriger, sich dem Wettbewerb mit den großen Betrieben zu stellen. Hauptkonkurrenten sind die Großbetriebe in Ostdeutschland und aus zukünftigen EU-Ländern (Polen, Ungarn, Baltikum, Tschechien, Slowakei). Es bleibt nur zu hoffen, daß unsere Regierungen die Notwendigkeit unserer Landwirtschaft erkennen und diesen Wirtschaftszweig erhalten. Nur so kann die Erzeugung gesunder und qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel gewährleistet werden. Außerdem sollten unsere Politiker es würdigen, wenn die Bauern unsere heimische Landschaft pflegen und erhalten.