Döneken rund ums Bauernvogelschießen
Die Bauernschützen sind bekanntermaßen ein traditioneller Verein. Trotzdem mußte aus gegebenem Anlaß des Öftern mit einigen Traditionen gebrochen werden.
In früheren Jahren war es so üblich, die Abschiedsfeiern der Majestäten am Freitag abend vor Bauernvogelschießen zu veranstalten. Dabei soll es hin und wieder vorgekommen sein, daß der Eine oder Andere Samstag morgens nicht ganz nüchtern war. Aus diesem Grund hatte man einst in Altenbreckerfeld beschlossen, das Vorreiten zu üben, damit es beim Festumzug nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt. Bei dieser Übungsstunde blieb der Vorreiter beim Aufsitzen in einer Wäscheleine hängen, und verteilte die frisch gewaschene Wäsche im ganzen Dorf. Die armen Frauen mußten erneut die Ärmel hoch krempeln und den entstandenen Schaden beseitigen.
Dieses Ereignis, so sagt man, wurde zum Anlaß genommen, die Abschiede zukünftig auf Mittwoch und Donnerstag zu verlegen. Überglücklich solcher „Verbesserungen“ überlegte man sich in derselben Dorfgemeinschaft, was sonst noch Bahnbrechendes zu verändern sei.
Üblicherweise wird das neue Königspaar (oder der Fähnrich) in der Nacht nach dem großen Fest von Nachbarn und Freunden bis nach Hause begleitet. Hier läßt sich das Königspaar (oder der Fähnrich) nicht lumpen, und lädt die Begleiter zu Bier, Schnaps und Brötchen oder Ähnlichem ein. Nachdem einer der Gäste plötzlich mit einem lebenden Schwein in der guten Stube stand, und dort ein zünftiges Spanferkelessen veranstalten wollte, eröffnete die Hausherrin kurzerhand eine „Milchbar“, in der Hoffnung, die Gäste würden wieder nüchtern werden. Dieses Getränk soll ja sehr gesund sein, hat sich aber unseres Wissens bis jetzt nicht auf Bauernvogelschießen durchgesetzt. Aber, was nicht ist, kann ja noch werden. In dieser Bauernschaft jedenfalls grübelt man häufig über solcherlei „Verbesserungen“ nach. Wir dürfen gespannt sein.
König oder nicht, das ist hier die Frage
Nach dem Krieg wurde in Delle in einem Kohlebunker mit einem Luftgewehr um die Würde von König und Fähnrich geschossen.
Dann traf der Königsschütze genau und war so überrascht, daß er die Flucht über Kohleberge und eine Mauer ergriff. Es wird vermutet, daß er zu Hause erst eine Genehmigung einholen mußte, bevor er seinen Königstitel annehmen konnte.
Karl Bühren, Bauernschaft Brenscheid
Walter Schmidt (auch bekannt als Mühlen-Walter) war auf dem Weg von Delle nach Breckerfeld. Hierzu wollte er mit der Kleinbahn fahren. Einige Bauernschützen hielten ihn auf seinem Weg dorthin an und überredeten ihn, beim Bauernvogelschießen mitzumachen, obwohl er am vorherigen Umzug nicht teilgenommen hatte.
Ganz spontan entschloss sich Mühlen-Walter zur Teilnahme am Bauernvogelschießen in Delle. Er nahm die Armbrust und zielte so genau, daß er der Schützenkönig des Jahres 1930 wurde. Aus einer spontanen Aktion wurde ein unvergessener Tag!
Ähnlich erging es 1956 Ewald Hasenburg vom Sonnenschein. Er verkaufte während des Schießens Zigarren. Einige Bauernschützen hielten ihn an, einen Schuss abzugeben. Auch er ließ sich zu dieser spontanen Aktion hinreißen. Er schoss und wurde Fähnrich. Auch dies war ein für heutige Zeiten ungewöhnliches Ereignis.
(Gerd Dahlhaus, Brenscheid)
Wie einfallsreich Bauernschützen sein können, davon erzählt diese Geschichte, die sich vor einiger Zeit zugetragen hat.
Der Vorstand der Bauernschützen hatte wieder einmal bis in die frühen Morgenstunden getagt. Um dem Donnerwetter seiner Ehefrau zu entgehen, zog sich ein Vorstandsmitglied der Bauernschaft Ebbinghausen bereits vor der Schlafzimmertür aus. Als er rückwärtsgehend das Schlafzimmer betrat, ertönte die Stimme seiner Frau: „Wo willst Du denn hin?“
„Na – melken gehen“, sagte er.
„Aber es ist doch noch viel zu früh“, sagte Adele.
„Na gut“, sagte Fritz, „dann leg ich mich wieder hin.“
An der Kasse
Wenn am Samstag abend des Vogelschießens der Königsball beginnt, dann muß natürlich auch die Kasse besetzt werden. Schließlich kostet die Musik während des Umzugs und beim Königsball sehr viel Geld. Diese Aufgabe erledigen die Unteroffiziere der Bauernschaften. In der letzten Versammlung vor Vogelschießen wird bestimmt, wer ab wann und wie lange an der Kasse Dienst hat. Das geht auch in der Regel reibungslos vonstatten. Nur hat doch immer wieder der eine oder andere Unteroffizier Probleme mit der jüngsten Vergangenheit. Das bedeutet, daß der zurückliegende Tag mit Festumzug, Abholen von Fähnrich und König und dem anschließenden Königsschießen doch Spuren hinterlassen hat, denn es ist ja auch nicht so einfach, 8 – 10 Kilometer zu marschieren. Auch an die Bewirtung bei Fähnrich und König ist zu denken. Schließlich kennt man sich und kann schon deshalb nicht jedes Schnäpschen ausschlagen. Da tun die Bierchen an den Ständen der Landjugend oder am Schlagbaum doch so richtig gut. Der Körper braucht eben auf solch langen Strecken Flüssigkeit. Dann folgt das Schießen, das bei 150 Schützen eine langwierige Angelegenheit ist. Man trifft alte Bekannte zum Erzählen, gibt einen aus oder läßt sich einen ausgeben. An Getränken mangelt es eigentlich nie. Wie bereits erwähnt, hinterläßt das Spuren, mal mehr, mal weniger. Es kommt auch darauf an, wie viel Bekannte man getroffen hat. Dadurch passiert natürlich an der Kasse auch der ein oder andere Zwischenfall, der so im Festverlauf nicht vorgesehen ist. Und darüber soll hier berichtet werden.
Auf die Größe kommt es an
Ein führender Kommunalpolitiker aus Breckerfeld wollte mit Ehefrau und heranwachsendem Sohn den Königsball der Bauernschützen besuchen. An der Kasse erkundigte er sich, ob sein Sohn, 12 Jahre alt, auch schon Eintritt bezahlen müsse. „Das geht nicht nach Alter, das geht nach der Größe“, erklärte ihm der diensthabende Unteroffizier. Diesem merkte man die Strapazen des Tages doch an. Der Kommunalpolitiker schaute ungläubig. „Wie soll ich das verstehen?“ fragte er. „Wenn der Junge groß genug ist, dann muß er Eintritt bezahlen“, erklärte ihm der Unteroffizier mit wichtiger Miene. Er forderte den Jungen auf: „Stell Dich mal gerade hin!“ Dieser stand respektvoll stramm. Unser Unteroffizier ging drei Schritte zurück, und musterte den Sprössling von oben bis unten mit Kennermiene. Dann kam seine Entscheidung. Der ist groß genug, der muß Eintritt bezahlen.
Der Politiker nahm es mit Humor und hat den Eintritt bezahlt.
Der Neue
Als der Stadtdirektor Herbert Veltkamp, erst kurz im Dienst der Stadt, erstmalig das Fest der Bauernschützen mitfeierte, kam es zu folgender Geschichte.
Der neue Stadtdirektor war mit den Gebräuchen noch nicht so recht vertraut. So kam es, daß er zum Königsball nicht im blauen Kittel, sondern im feinen Anzug erschien. Die erste Kassenbesetzung hatte dieses erkannt, und den Ehrengast samt Gattin natürlich ohne Eintritt in die Festhalle gelassen. Irgendwann am Abend wollte der Stadtdirektor mal kurz aus der Halle. Als er an der Kasse, die inzwischen von anderen Unteroffizieren besetzt war, vorbeikam, erklärte man den beiden „Kontrolleuren“, daß gerade der Stadtdirektor die Halle verlassen habe. Der brauche natürlich keinen Eintritt zu bezahlen. Alles klar, signalisierten die beiden und schauten hinter dem ersten Mann der Verwaltung her.
Wie der Zufall es wollte, kam der Stadtdirektor in einer Gruppe Jugendlicher zurück. Da hieß es höchste Konzentration für die Kontrolleure. Die Burschen hatten es schon einmal versucht, an der Kasse vorbei zu kommen, ohne zu bezahlen. Beide Unteroffiziere waren hoch motiviert. Und schon hatten sie einen erwischt, der ohne Eintrittsmarke in die Halle wollte. Dann kam der Stadtdirektor und ging wie selbstverständlich an den Kontrolleuren vorbei in die Halle. Einer der beiden war aber so mit Eifer dabei, daß er vergaß, um wen es sich handelte. Mit schnellen Schritten hatte er den Stadtdirektor eingeholt. Er faßte ihn am Kragen und sagte: „Komm her, Du Vogel, Du bezahlst auch!“ Große Verwirrung entstand beim Stadtdirektor und an der Kasse. Das Mißverständnis klärte sich natürlich sofort auf. Der Stadtdirektor konnte ohne Eintritt in die Halle und der Unteroffizier mußte sich den Spott seiner Kollegen anhören.
Pfandsystem bei den Bauernschützen
Zu vorgerückter Stunde kam aufgeregt ein Mädchen an die Kasse. „Meine Eltern sind in der Halle. Ich muß die unbedingt sprechen, habe aber kein Geld für den Eintritt“, bettelte es um Einlaß. Da kam sie bei dem kassierenden Unteroffizier an den Rechten. „So geht das nicht. Ohne Eintritt kommt hier keiner rein“, erklärte er wichtig. Das Mädchen bettelte weiter. Nun hat der Kassierer ja auch ein Herz. So langsam wurde er weich. Da er seine Prinzipien aber nicht aufgeben wollte, kam ihm eine kluge Idee. Er sagte dem Mädchen: „Wenn Du Deine Uhr als Pfand hier hinlegst, kannst Du in die Halle gehen.“ Die überlegte nicht lange und hinterließ die Uhr auf dem Kassentisch.
Das wäre nichts Besonderes, wenn nicht im Laufe des Abends die Zahl der Uhren, die als Pfand hinterlegt waren, stetig anstieg. Kurz vor Kassenschluß waren alle Pfänder wieder eingelöst. Ordnung muß sein.
Eine Kutschfahrt ...
Vor ca. 50 Jahren ergab es sich, daß die Bauernschützen nach Dahl gerieten, um ihren König abzuholen. Da sich in Richtung Dahl etliche Gefällestrecken befanden, wurde auch häufig gebremst, doch es kam, wie es kommen mußte: Ein Bremsgestänge zerbrach. Die Kutsche, die als Altenwagen diente, wurde mit Mühe und Not zum Halten gebracht. Dieser Haltepunkt befand sich in direkter Nähe zu einer Firma, die Gitterroste herstellte. Der Chef der Firma beobachtete das Geschehen und beauftragte einige seiner Angestellten, sich der Bremse der Kutsche anzunehmen und dafür zu sorgen, daß die Bauernschützen ihre Fahrt fortsetzen konnten, damit das Fest (Bauernvogelschießen) ein glückliches Ende nehmen würde und auch nahm.
Karl Bühren, Bauernschaft Brenscheid
Quelle: Festschrift 2004