Die militanten Schützen
1609 war die Mark an Brandenburg-Preußen gefallen. Die neue Obrigkeit hatte das alte Landesaufgebot nicht vergessen. Der Wehrwille der Bevölkerung sollte wieder gestärkt werden.
Im Amt Altena wurde die Burg zum wehrhaften Zentrum. Hier zog man eine Mannschaft für das ganze Amt 1614 zusammen. Aus allen Bezirken des Amtes mußten Schützen im Wechsel dort eingesetzt werden.
Der Einsatz dauerte jeweils 1 1/2 Wochen. Auch Breckerfelder Schützen mußten dort ihren Dienst verrichten. Die Führung hatte ein kurbrandenburgischer Offizier. Den Amtsschützen gelang 1614 die Vertreibung der Spanier und damit die Rückeroberung der Altenaer Burg.
In allen Kirchspielen des Landes Altena müssen die Bauern- und Bürgerschützen wieder aktiv geworden sein. Die Bauern wären sicherlich nicht bereit gewesen, allein für das Amt den Schützendienst zu leisten, wenn nicht auch die Bürger wieder "Gewehr bei Fuß" gestanden und sich für Einsätze gerüstet hätten. Und so werden über die Mobilmachung der Bürgerschützen auch keine Klagen geführt, obwohl bis 1630 von den Landgemeinden zahlreiche Eingaben vorliegen, in denen sie die Städte und ihre Weigerung zur Leistung der Kriegsgelder scharf verurteilen.
Überhaupt werden es die Schützen schwer gehabt haben, die heimische Bevölkerung vor plündernden Soldaten zu bewahren; es ist ihnen auf längere Zeit nicht gelungen. Eine Vielzahl von umherziehenden Marodeuren müssen in unserer Gegend gewesen sein. Sie unternahmen von ihren Hauptquartieren aus Beutezüge in die umliegenden Ortschaften und Dörfer. In der Zeit bis 1648 war die Mark eine einzige Versorgungsbasis für einlagernde Truppen; kriegerische Großereignisse spielten sich hier jedoch nicht ab. Bis zum Ende des clevischen Erbfolgestreits (1631) erpreßten die holländischen und spanischen Truppen mit ihren Einquartierungen die Bevölkerung, dann zogen sie endlich ab. Doch nun waren die verbliebenen und durch- ziehenden kaiserlichen Heere die Quälgeister, die aus der Mark erst 1649 verschwanden.
Auch ohne vernichtende Heeresschlachten genügten die durchgefochtenen Scharmützel, vor allem aber die Raff- und Mordlust der soldatischen Freibeuter, um das Land entvölkert und verwüstet zu hinterlassen.
Dennoch hatten die Schützen sich nie aufgegeben. Die Lüdenscheider Kirchspielschützen konnten 1634/35 erfolgreich einige plündernde Gruppen des Regiments von Bönninghausen abwehren. Dies zeigt die Durchschlagskraft der Amtsschützen, die sich als Ordnungsfaktor wie- der Geltung verschafften. Der Dienstbetrieb aller Kirchspielschützen scheint nach Abzug der schlimmsten Peiniger, der Holländer und Spanier, wieder aufgenommen worden zu sein. 1650 heißt es: "Wie das Amt Altena von alters (her) auch Anno 1650 in der Musterung auf der Vogelberger Höhe aufgeführt:
1 .Lüdenscheid dem anhangen Hülscheid, Wibbelingwerth und Kellerambt unter einem Fähnlein;
2. Hierauf Herscheid allein mit seinem Fähnlein;
3. Halver mit seinem trop;
4. Kierspe mit seinem trop;
5. Breckerfeld nebst Rönsahl;
6. Valbert mit Meynertzhagen angehangen."
Hier tritt also deutlich der Charakter als Amtsmiliz heraus, der 1614 nur angedeutet war. Unter den Brandenburgern waren die Bauernschützen zur militanten Gruppe geworden. Von diesen Amtsschützen, die Breckerfelder Bauernschützen eingeschlossen, wird im 17. Jahrhundert laufend berichtet. 1659 hören wir von ihrem Dienstsold; der Führer erhielt 2 Reichstaler, der gemeine Schütze 1 Reichstaler wöchentlich. 1660 erhielten die Schützen den Auftrag, die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren, wenn kaiserliche Truppen durch Cleve- Mark zogen. 1673 waren die Amtsschützen sogar verstärkt worden, sie konnten in Altena mehrere Angriffe der angreifenden französischen Truppen abwehren. 1676 machte der Große Kurfürst die Schützen mobil, sie wurden zum Einsatz gegen die Soldaten Ludwig XIV aus Frankreich gemustert. 600 Mann aus der Landbevölkerung, aufgeteilt in 4 Kompanien und unter einem Landesoberst, sollten dem Befehlshaber der Mark in Lippstadt unterstellt werden. Vom 26. bis 31. März dieses Jahres fanden die Musterungen auf der Vogelsberger Höhe in Lüdenscheid statt. In den erhaltenen Musterungsrollen sind auch die Breckerfelder Bauernschützen aufgeführt:
Schützenrolle von Breckerfeld (1676);
Christoffer Saalmann, Führer; Mertin zum Holle, Tambour.
Peter zum Stoken, Rottmeister, Hans Moses Schulte zu Epschedt, Caspar vom Dresche, Johan Hane, S. Gerichtsschreibers Schulte, Peter zum Dahl.
Johann zur Huißmecke, Rottmeister; Huxardt, Hans von Mühle, Hannes Lohmann, Wilm im Schlae, Schopman zum Loh.
Peter Böcker, Rottmeister; Peter Dahimann, Cordts Claß, Jasper Hollender zu Eringh., Hans Böcker, Stoffel Goiß.
Peter zu Eringh., Rottmeister; Funcke zu Boßel, Helmich in Schmidtshaus, Jacob zu Kückelhausen, Peter Stamm.
Claß Peddinghausen zu Eldenb., Rottmeister; Jürgen Schmidt, Zum Wittensteine, Oben zu Ebbinghausen, Mertin Pate, Jorgen Pate.
Peter zu Holthausen, Corporal; Peter Danedden zu Ebbinghausen, Midden zu Holthausen, Goerdt zum Kotten, Stöpingh., Peter zum Holle.
Lusebergh, Rottmeister; Jacob zur Stemicke, Mertin zu Kückelhausen, Jacob zum Broiche, Peyinckhaus, Schneider im Ossenkampe.
Jacob Voß, Rottmeister; Hans Engel, Peter Moiß, Peter Koich, Johan von den Dornen, Stoffer zun Eichen.
Dethmar zun Dornen, Rottmeister; Jacob zun Eichen der Junger, Giesebuhr, Vinckenbergh, Goemansheyde, Newhaus zum Heede.
Hans in der Heyden, Rottmeister; Peter Wölfingh, Sybei zum Newenloh, Jasper zum Newenloh, Jasper am Schafflande, Johan am Schafflande.
Dietrich Schaffländer, Rottmeister; Peter oben zu Langscheidt, Am Rolandt.
Beim Vergleich der Musterungslisten zeigen sich bei den Aufziehenden aus Lüdenscheid/Halver/Kierspe einerseits und Breckerfeld/Rönsahl zum anderen formelle Unterschiede. Geschlossener treten die ersteren auf; sie haben Fähnriche, marschieren also unter der Fahne. Dies ist bei den Breckerfeldern und Rönsahlern offenbar nicht der Fall; sie bieten nur einen Tambour oder Trommelschläger auf. Ähnliche Abstufungen zeigte bereits die obige Nachricht von 1650: unsere südlichen Nachbarn erschienen mit Fahnen oder als Trupp, die Breckerfelder treten offenbar ohne Formation und somit als Haufen nach alter Aufgebotsart auf. Die Fahne, als letztes Zeichen der Einheit in der Mannschaft, fehlt 1676 noch, obwohl die militärische Rangordnung vom Führer über Corporal und Rottenführer bis zu den gemeinen Schützen gewahrt ist.
Doch müssen in dem Angriffskrieg Ludwigs XIV von Frankreich (1673 - 1679) weitere Musterungen durchgeführt worden sein. In den Reihen der Breckerfelder Bauernschützen werden bald Forderungen nach einer Fahne laut geworden sein. In späterer Zeit (1743) ist vom uralten Recht der Breckerfelder Kirchspieleingesessenen die Rede, ihren Fähnrich wählen zu dürfen, wovon zuletzt noch vor 1707 (Tod des damaligen Fähnrichs) Gebrauch gemacht worden sei. Die erste Fahne der Bauernschützen könnte um 1680 etwa angeschafft worden sein. In dieser Zeit war Breckerfeld wieder im Aufstreben begriffen, wie es das Aufbringen der Kosten für das lnstandsetzen der Kirche beweist. Es würde zu weit gehen, das Zögern bei der Anschaffung der Fahne als Nachlassen im Wehrwillen auszulegen. Aber die Anzeichen für den zunehmenden Militarismus mußten die Landbevölkerung kritisch werden lassen. Alle Maßnahmen der Preußen gingen über Selbstverteidigung hinaus. Das stehende Heer brachte Verpflichtungen für Bauern und andere Stände mit sich. Kriegstribute und Rekrutenfragen wurden immer drückender.
Die Amtsschützen wurden, nach dem Aufbau der stehenden Truppe, von den Preußen nur als halbmilitärische Organisation betrachtet, und für die Schützen war die ehemalige Aufgabe als Miliz in Abgang gekommen. Dies entsprach der Einstellung Friedrich Wilhelm 1, der das Schützenwesen für eitel Müßiggang hielt. Immerhin bedachte man die Schützen noch mit einer Ersatzaufgabe. Sie sollten die fehlenden Rekruten beschaffen. Nach einer Urkunde im Stadtarchiv Kierspe bediente sich die Regierung 1694 der Gemeinden, um den nötigen Militärnachwuchs zu bekommen. Der Bedarf wurde an die Gemeinden ausgeschrieben. Die Folge war: die erst besten jungen Leute wurden ergriffen und dem Regiment in Hamm zugestellt. Dieses "Geschäft" hatten die Schützen zu erledigen. Oder anders betrachtet, hatte der Schütze den Vorteil, nicht als Soldat dienen zu müssen. Diese Überlegung wird mancher junge Mann angestellt haben und lieber Schütze als Soldat geworden sein. Doch dieser "frühe Ersatzdienst" war bald recht "versalzen". Denn die Schützen sollten ab 1704 nach des Königs Willen wieder als Landmiliz antreten; somit konnten sie fallweise zu Militärübungen eingezogen werden, und dies mehrmals im Jahr. Ansonsten hatten die Schützen in ihrer Gemeinde den Wachdienst usw. zu versehen. Die Geschichte der Bauernschützen tritt im 17. Jahrhundert deutlicher hervor als für die Bürgerschützen. Dies geht auf die bessere Quellenlage im hiesigen Gebiet zurück. Dies mag anderen Orts umgekehrt sein. Die aufgezeigte Entwicklung jedoch dürfte aber auch für andere Schützengemeinschaften Gültigkeit haben.
Quelle: Festschrift zum Jubiläum 1979 von Armin Voß